
BGH stärkt Kleingärtner
Die Stadt Köln wollte Wohnungen, eine Kita und einen Spielplatz bauen – und dafür eine traditionsreiche Kleingartenanlage opfern. Doch der Bundesgerichtshof (BGH) hat den Plänen nun einen Riegel vorgeschoben: Die Kündigung der Pachtverträge war unwirksam. In einem Grundsatzurteil vom 17. Juli 2025 (Az.: III ZR 92/24) stellte das höchste deutsche Zivilgericht klar: Historisch gewachsene Kleingärten genießen einen besonderen Schutz, den Kommunen nicht über einen einfachen Bauvorbescheid umgehen dürfen.
Der Fall
Die Kleingartenanlage „Faßbenderkaul“ im Kölner Süden besteht seit den 1930er-Jahren. Eigentümerin der Flächen ist die Stadt Köln, die sie über einen Generalpachtvertrag an einen Verein verpachtet hat. Dieser vergibt die einzelnen Parzellen an die Gärtner. Als die Stadt 2022 beschloss, einen Teil der Anlage für den Wohnungsbau an eine Investorin zu verkaufen, kündigte sie den Pachtvertrag. Grundlage sollte ein Bauvorbescheid sein, der die grundsätzliche planungsrechtliche Zulässigkeit des Projekts bestätigt.
Besonderer Schutzstatus
Die Anlage gilt als sogenannter „fiktiver Dauerkleingarten“. Das bedeutet: Pachtverträge, die vor dem Inkrafttreten des Bundeskleingartengesetzes (BKleingG) 1983 auf kommunalen Flächen bestanden, werden rechtlich wie Dauerkleingärten behandelt – also so, als wären sie in einem Bebauungsplan für Kleingärten festgesetzt.
Damit genießen sie denselben hohen Kündigungsschutz wie echte Dauerkleingärten. Entscheidend ist: Bei solchen Flächen darf die Nutzung nur über einen Bebauungsplan geändert werden. Ein bloßer Bauvorbescheid ersetzt diesen nicht.
Die Argumentation der Stadt
Köln berief sich auf § 9 Abs. 1 Nr. 4 BKleingG. Danach ist eine Kündigung zulässig, wenn eine andere Nutzung planungsrechtlich zulässig ist und der Eigentümer durch die Fortsetzung des Pachtverhältnisses wirtschaftlich erheblich beeinträchtigt wird. Mit dem positiven Vorbescheid sah die Stadt diese Voraussetzungen erfüllt.
Die Entscheidung des BGH
Der BGH stellte jedoch klar: Dieser Kündigungsgrund gilt bei fiktiven Dauerkleingärten nicht. Sie sind wie Dauerkleingärten zu behandeln, deren Nutzung nur durch einen Bebauungsplan geändert werden kann. Ein möglicher oder sogar bestandskräftiger Bauvorbescheid genügt hierfür nicht – auch nicht aufgrund seiner sogenannten Tatbestandswirkung. Denn diese betrifft nur die planungsrechtliche Zulässigkeit des Bauvorhabens, nicht aber dessen kündigungsrechtliche Konsequenzen.
Zudem betonte das Gericht: Hätte die Stadt wirksam nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 gekündigt, hätten die Pächter keinen Anspruch auf Ersatzland gehabt. Eine solche doppelte Benachteiligung widerspreche klar dem Willen des Gesetzgebers und dem Gleichbehandlungsgebot.
Interessant am Rande: Zum Zeitpunkt der BGH-Verhandlung war der Bauvorbescheid bereits abgelaufen – die Richter stellten aber klar, dass selbst ein gültiger Vorbescheid keine Kündigung gerechtfertigt hätte.
Folgen für die Praxis
Für Pächter bedeutet das Urteil: Ihre Verträge sind besser geschützt, als viele bislang angenommen hatten. Ein Bauprojekt oder Bauvorbescheid reicht nicht, um Kleingärten zu kündigen. Kommunen müssen den formellen, transparenten Weg über einen Bebauungsplan gehen – inklusive öffentlicher Beteiligung und sorgfältiger Abwägung der betroffenen Interessen.
Für Kommunen ist damit klar: Ein „Abkürzungsverfahren“ über Bauvorbescheide gibt es nicht.
Wer Kleingartenflächen umnutzen will, muss dies offen über die Bauleitplanung vorbereiten.
Für die Kölner Gärtner bedeutet die Entscheidung vorerst: Ihre Anlage bleibt bestehen. Allerdings sollen Stadtverwaltung und Investor inzwischen bereits an einem vorhabenbezogenen Bebauungsplan arbeiten.